Die Gnosis liefert die Antwort auf eine sehr alte Frage:
Woher kommt das Böse – unde malum?
Auf diese Frage kann der Katholizismus bis heute keine schlüssige Antwort liefern: Wenn doch Gott allmächtig und allgütig ist, wie kann er es dann zulassen, dass Satan Böses auf Erden treibt? Und, wenn er doch allmächtig ist – warum stellt er dann das Böse nicht einfach ab – auch, wenn er für seine Schöpfung nicht direkt verantwortlich sein mag?
Das Argument von der Freiheit als Geschenk Gottes an den Menschen – die zur Voraussetzung die Möglichkeit zum Fehlentscheid für ein Böses beinhalten müsse, verlagert das Problem nur auf die Frage nach der Qualität einer solchen Freiheit, nach dem Gehalt des Bösen in ihr und ihrer Entstehung. - Nein, die christliche Kirche hat auf diese Fragen der Gläubigen bis heute nie eine wirklich schlüssige Antwort geben können. Hier liegt ihre Achillesferse, hier war und ist sie angreifbar.
Etwa zeitgleich mit dem sich formierenden Christentum in den ersten Jahrhunderten nach Christus formierte sich in der antiken Welt, basierend auf viel älteren jüdischen (Apokalyptik), griechischen (Platon/Stoa), orientalisch-persischen (Zoraster/Mani), indischen (Atman/Brahman) und ägyptischen (gewagt: Echnaton) Heilslehren, eine tatsächlich in sich schlüssige Antwort auf all diese beängstigenden Fragen:
Die Gnosis.
Dutzende von Gläubigengruppen bauten verschiedene Systeme mit verschiedenen Göttern, Erlösern, Vertretern des Bösen und auch vielen guten Geistern – mit jeweils ihrer eigenen Terminologie. Aber so sehr sich all diese Gruppen und Grüppchen im Detail unterschieden – eines war all diesen Gruppen gemein: Ihr dualistischer Kern.
Im strengen Dualismus etwa gibt es zwei Gottheiten, zwei Reiche: Das Reich der Finsternis und das Reich des Lichtes mit einem Lichtgott an der Spitze.
In der gnostischen Geheimlehre des Johannes, einer apokryphen Schrift aus dem 4. Jahrhundert, wird dieser Lichtgott beschrieben:
„Dieser ist das unermessliche Licht, die heilige, lautere Reinheit, der Unbeschreibliche, Vollkommene, Unvergängliche ... Überhaupt ist es nicht möglich, dass irgendjemand ihn begreift.Er ist nichts von den Existierenden, sondern ist eine Sache, die vorzüglich ist. Nicht, als ob er an sich vorzüglich wäre, sondern das, was sein Wesen ausmacht, hatte keinen Anteil an den Äonen.
Nicht existiert Zeit für ihn ... Es gibt niemanden vor ihm, denn er existiert, indem er nur nach sich selbst verlangt in der Vollendung des Lichtes, indem er begreift in dem lauteren Licht.
Die unermessliche Größe, der Ewige, der Ewigkeitsspender, das Licht, der Lichtspender, das Leben, der Lebensspender ... Jener ist es, der uns das gesagt hat, er, der sich selbst begreift in seinem Licht, das ihn umgibt, der ja die Quelle des Lebenswassers ist, das Licht voll Reinheit, die Quelle des Geistes, die lebendiges Wasser gibt.“
In manchen Versionen der gnostischen Kosmogonie greift nun das Reich der Finsternis das Reich des Lichtes an, so dass es zur unglückseligen Vermischung der Welten kommt.
Die böse Gottheit schuf die Erde, die gute hat mit dieser Erde nicht viel gemein. Wäre da dem guten Gott nicht eine Art Betriebsunfall unterlaufen, der Teile seiner selbst – Licht – in die materielle, vom bösen Gotte geschaffene Welt hat absinken lassen, wo dieses Licht nun als Seele in den Lebewesen gefangen ist. Durch die Gefangenschaft im Kerker des materiellen Körpers weiß das göttliche Licht, die Seele etwa des Menschen, nichts von seiner Einkerkerung, nichts von seiner Göttlichkeit. Sie ist wie betäubt, wie schlafend. Im manichäischen Bet- und Beichtbuch heißt es, die Seele werde geboren „in diesem Schreckenswunderbau, diesem Todesschloss, dieser Giftgestalt, dem knochigen Körper“
In der Geheimlehre des Johannes heißt es über die Entstehung der Materie und die Gefangennahme der Seele im Körper: Die bösen Archonten (Planetengötter) „machten ein weiteres neues Gebilde, wiederum aus der Erde und dem Wasser und dem Feuer und dem Winde, das heißt aus der Materie der Finsternis und der Begierde und ihrem [widersetzlichen] Antimimon-Geist, das ist unsere Fessel. Das ist die Höhle des Gebildes des Körpers, der, den sie dem Menschen angezogen haben, die Räuber, die Fessel des Vergessens. Und auf diese Weise wurde der Mensch sterblich.“
Aber die Seele, die ihre göttliche Herkunft vergessen hat, kann zur Erinnerung gebracht werden, kann erweckt werden – etwa durch einen Abkömmling des Lichtreiches, der den Menschen über seinen göttlichen Lichtkern aufklärt und so zur wahren Erkenntnis, griechisch "Gnosis", führt. Die Rolle des rettenden Erweckers kann auch ein bereits erweckter Mensch, ein Prophet oder Priester, übernehmen.
So wird etwa in einer Geheimlehre Johannes von Jesus Christus mitgeteilt: „Ich bin nämlich der Reichtum des Lichtes. Ich bin das Denken des Pleromas [Lichtfülle]. Ich ging aber in der Größe der Finsternis, und ich hielt es aus, bis ich in die Mitte des Gefängnisses ging ... – das ist das Gefängnis des Körpers und sprach: „Wer hört, erhebe sich vom tiefen Schlafe.“ ... Ich aber habe dir alle Dinge gesagt, damit du sie aufschreibst und sie deinen Mitgeistern im Verborgenen gibst; denn das ist das Geheimnis des nicht wankenden Geschlechtes.“ Und der Heiland gab ihm diese Geheimnisse, damit er sie aufschreibe und sie sicher hinterlege. Und er sprach zu ihm: „Verflucht ist jeder, der diese Geheimnisse für ein Geschenk oder wegen Essen oder wegen einem Getränk oder wegen einem Gewand oder wegen einer anderen Sache dieser Art weitergeben wird.“ ... Und sofort wurde er unsichtbar vor ihm. Und er [Johannes] ging zu seinen Mitjüngern und erzählte ihm, was der Heiland [Soter] ihm gesagt hatte.“
Neben dem strengen Dualismus, der zwei gleich starke Gottheiten, die des Lichtes und die der Finsternis, vorsieht, existierte stets noch eine gemäßigte Variante: Hier kommt etwa ein gefallenes Lichtwesen zum Zuge, das für den Einschluss der Seelen in Materie verantwortlich zeichnet. Das Böse ist hier nicht strikt getrennt vom Guten, sondern ein gefallener Teil des Guten.
Einer der Grundgedanken der Gnosis ist folglich, dass die gegenwärtige Welt nur einen durch Fehler entstandenen Übergangszustand darstellt, der durch ein Eingreifen des göttlichen Lichtes eines Tages behoben wird. Und obwohl die Gnosis wie das Christentum oft einen Erlöser wie Jesus benennt, ist sie doch keine Spaltung, keine Sektion und damit auch keine Sekte des Christentums. Das Christentum hat zwar auf die Gnosis eingewirkt, sie aber nicht begründet. Zu alt sind die Wurzeln der Gnosis. Die wohl ältesten Spuren finden sich im Iran. Hier wirkte um etwa 600 vor Christus der persische Prophet Zoraster (Zarathustra), der Begründer des dualistischen Mazdaismus/Parsismus (benannt nach seinem Ursprungsland Persien), der den guten Übergott Ahura Masda (Mazda) als Schöpfer des Lichtreiches gegen den bösen Gott Angra Manju (Ahriman) und das Reich der Finsternis antreten ließ. Die Parsen leben heute noch in Indien, wohin sie nach der islamischen Eroberung Persiens (642) flüchteten. Der Perser Mani trat in seiner Lebenszeit 216-277 nach Christus in die Fußstapfen Zorasters. Er schaffte es durch Anpassung seiner Lehre an die bereits vorhandenen Religionen und umfangreiche Übersetzung seiner Texte in fremde Sprachen, seine Lehre kontinentübergreifend in den „Rang einer Weltreligion“ [Markschies] zu heben.
Er wollte die Lehren von Zarathustra, Buddha und Christus in einem Glaubensgebäude unter streng dualistischem Himmel mit zwei gleichstarken Gottheiten vereinen und gründete hierfür seine eigene Kirche, die etwa im gesamten Sassanidenreich vorübergehend von offizieller Seite toleriert war und gelehrt werden durfte. Mani wurde nach längerer Kerkerhaft am 26. Februar 277 hingerichtet, da zorastrische Priester derweil die Konkurrenz fürchteten, sein Leichnam verstümmelt und zur Schau gestellt. Vom 3. bis zum 13. Jahrhundert, bis zum Erscheinen der Mongolen, also über 1000 Jahre war der Manichäismus in Asien, Nordafrika und Europa vertreten. Im 7. Jahrhundert saß das Oberhaupt der manichäischen Kirche in Babylon. Im 8. und 9. Jahrhundert war der Manichäismus Staatsreligion im Reich der türkischen Uiguren. In China wurde der Manichäismus bis zum 9. Jahrhundert toleriert und hielt sich im Süden des Landes bis ins 17. Jahrhundert. Von den gnostisch geprägten muslimischen Gruppen konnten sich – so Tröger – einige bis in die Gegenwart erhalten, so etwa die türkischen Alawiten/Alewiten. Er zitiert aus dem „Buch der Schatten“ dieser Glaubensgemeinschaft: „Wenn der Embryo dann herauskommt, dann steigt der gute Geist herab; das ist der lichte Geist des Glaubens, der aus dem Lichte Gottes erschaffen ist. Der setzt sich nun im Körper fest ... Dabei ist er betrübt und weint ... und er erblickt nun diesen Leib, der ein Gefängnis für den Geist der Gläubigen ist ... Wenn nun die Erkenntnis (dieses Menschen) vollkommen geworden ist ..., dann wird er aus diesem Körper (wieder) herausgebracht ...“ Von den 67,8 Millionen Türken sind etwa 15-20 Millionen alewitischen Glaubens [Auswärtiges Amt 11/2002] Bei uns existiert der Gnostizismus heute noch bewusst etwa in Gestalt der Theosophie, Anthroposophie (Steiner war etwa Herausgeber der Zeitschrift „Lucifer-Gnosis“) und der Rosenkreuzer und sie hat zudem zahllose Philosophen und Literaten angeregt, darunter Marcel Proust, James Joyce, Robert Musil, George Lukács, Ernst Bloch, Hermann Hesse, Thomas Mann, Ingeborg Bachmann, Carl Gustav Jung, Ernst Topitsch, Martin Heidegger, Walter Benjamin, Niklas Luhmann und William Butler Yeats – um nur einige zu nennen. Theoretiker wie Eric Voegelin, Harald Strohm und Reinhard Sonnenschmidt gehen davon aus, dass selbst der Nationalsozialismus mit seinem Lichtkult und seinem Glauben an das Göttliche im Blut gnostisch inspiriert war.
...glaube an das Gute im Menschen - im Bewusstsein - an das Böse in ihm...
Sola fide! ...zum Wohle aller Mitmenschen!
Woher kommt das Böse – unde malum?
Auf diese Frage kann der Katholizismus bis heute keine schlüssige Antwort liefern: Wenn doch Gott allmächtig und allgütig ist, wie kann er es dann zulassen, dass Satan Böses auf Erden treibt? Und, wenn er doch allmächtig ist – warum stellt er dann das Böse nicht einfach ab – auch, wenn er für seine Schöpfung nicht direkt verantwortlich sein mag?
Das Argument von der Freiheit als Geschenk Gottes an den Menschen – die zur Voraussetzung die Möglichkeit zum Fehlentscheid für ein Böses beinhalten müsse, verlagert das Problem nur auf die Frage nach der Qualität einer solchen Freiheit, nach dem Gehalt des Bösen in ihr und ihrer Entstehung. - Nein, die christliche Kirche hat auf diese Fragen der Gläubigen bis heute nie eine wirklich schlüssige Antwort geben können. Hier liegt ihre Achillesferse, hier war und ist sie angreifbar.
Etwa zeitgleich mit dem sich formierenden Christentum in den ersten Jahrhunderten nach Christus formierte sich in der antiken Welt, basierend auf viel älteren jüdischen (Apokalyptik), griechischen (Platon/Stoa), orientalisch-persischen (Zoraster/Mani), indischen (Atman/Brahman) und ägyptischen (gewagt: Echnaton) Heilslehren, eine tatsächlich in sich schlüssige Antwort auf all diese beängstigenden Fragen:
Die Gnosis.
Dutzende von Gläubigengruppen bauten verschiedene Systeme mit verschiedenen Göttern, Erlösern, Vertretern des Bösen und auch vielen guten Geistern – mit jeweils ihrer eigenen Terminologie. Aber so sehr sich all diese Gruppen und Grüppchen im Detail unterschieden – eines war all diesen Gruppen gemein: Ihr dualistischer Kern.
Im strengen Dualismus etwa gibt es zwei Gottheiten, zwei Reiche: Das Reich der Finsternis und das Reich des Lichtes mit einem Lichtgott an der Spitze.
In der gnostischen Geheimlehre des Johannes, einer apokryphen Schrift aus dem 4. Jahrhundert, wird dieser Lichtgott beschrieben:
„Dieser ist das unermessliche Licht, die heilige, lautere Reinheit, der Unbeschreibliche, Vollkommene, Unvergängliche ... Überhaupt ist es nicht möglich, dass irgendjemand ihn begreift.Er ist nichts von den Existierenden, sondern ist eine Sache, die vorzüglich ist. Nicht, als ob er an sich vorzüglich wäre, sondern das, was sein Wesen ausmacht, hatte keinen Anteil an den Äonen.
Nicht existiert Zeit für ihn ... Es gibt niemanden vor ihm, denn er existiert, indem er nur nach sich selbst verlangt in der Vollendung des Lichtes, indem er begreift in dem lauteren Licht.
Die unermessliche Größe, der Ewige, der Ewigkeitsspender, das Licht, der Lichtspender, das Leben, der Lebensspender ... Jener ist es, der uns das gesagt hat, er, der sich selbst begreift in seinem Licht, das ihn umgibt, der ja die Quelle des Lebenswassers ist, das Licht voll Reinheit, die Quelle des Geistes, die lebendiges Wasser gibt.“
In manchen Versionen der gnostischen Kosmogonie greift nun das Reich der Finsternis das Reich des Lichtes an, so dass es zur unglückseligen Vermischung der Welten kommt.
Die böse Gottheit schuf die Erde, die gute hat mit dieser Erde nicht viel gemein. Wäre da dem guten Gott nicht eine Art Betriebsunfall unterlaufen, der Teile seiner selbst – Licht – in die materielle, vom bösen Gotte geschaffene Welt hat absinken lassen, wo dieses Licht nun als Seele in den Lebewesen gefangen ist. Durch die Gefangenschaft im Kerker des materiellen Körpers weiß das göttliche Licht, die Seele etwa des Menschen, nichts von seiner Einkerkerung, nichts von seiner Göttlichkeit. Sie ist wie betäubt, wie schlafend. Im manichäischen Bet- und Beichtbuch heißt es, die Seele werde geboren „in diesem Schreckenswunderbau, diesem Todesschloss, dieser Giftgestalt, dem knochigen Körper“
In der Geheimlehre des Johannes heißt es über die Entstehung der Materie und die Gefangennahme der Seele im Körper: Die bösen Archonten (Planetengötter) „machten ein weiteres neues Gebilde, wiederum aus der Erde und dem Wasser und dem Feuer und dem Winde, das heißt aus der Materie der Finsternis und der Begierde und ihrem [widersetzlichen] Antimimon-Geist, das ist unsere Fessel. Das ist die Höhle des Gebildes des Körpers, der, den sie dem Menschen angezogen haben, die Räuber, die Fessel des Vergessens. Und auf diese Weise wurde der Mensch sterblich.“
Aber die Seele, die ihre göttliche Herkunft vergessen hat, kann zur Erinnerung gebracht werden, kann erweckt werden – etwa durch einen Abkömmling des Lichtreiches, der den Menschen über seinen göttlichen Lichtkern aufklärt und so zur wahren Erkenntnis, griechisch "Gnosis", führt. Die Rolle des rettenden Erweckers kann auch ein bereits erweckter Mensch, ein Prophet oder Priester, übernehmen.
So wird etwa in einer Geheimlehre Johannes von Jesus Christus mitgeteilt: „Ich bin nämlich der Reichtum des Lichtes. Ich bin das Denken des Pleromas [Lichtfülle]. Ich ging aber in der Größe der Finsternis, und ich hielt es aus, bis ich in die Mitte des Gefängnisses ging ... – das ist das Gefängnis des Körpers und sprach: „Wer hört, erhebe sich vom tiefen Schlafe.“ ... Ich aber habe dir alle Dinge gesagt, damit du sie aufschreibst und sie deinen Mitgeistern im Verborgenen gibst; denn das ist das Geheimnis des nicht wankenden Geschlechtes.“ Und der Heiland gab ihm diese Geheimnisse, damit er sie aufschreibe und sie sicher hinterlege. Und er sprach zu ihm: „Verflucht ist jeder, der diese Geheimnisse für ein Geschenk oder wegen Essen oder wegen einem Getränk oder wegen einem Gewand oder wegen einer anderen Sache dieser Art weitergeben wird.“ ... Und sofort wurde er unsichtbar vor ihm. Und er [Johannes] ging zu seinen Mitjüngern und erzählte ihm, was der Heiland [Soter] ihm gesagt hatte.“
Neben dem strengen Dualismus, der zwei gleich starke Gottheiten, die des Lichtes und die der Finsternis, vorsieht, existierte stets noch eine gemäßigte Variante: Hier kommt etwa ein gefallenes Lichtwesen zum Zuge, das für den Einschluss der Seelen in Materie verantwortlich zeichnet. Das Böse ist hier nicht strikt getrennt vom Guten, sondern ein gefallener Teil des Guten.
Einer der Grundgedanken der Gnosis ist folglich, dass die gegenwärtige Welt nur einen durch Fehler entstandenen Übergangszustand darstellt, der durch ein Eingreifen des göttlichen Lichtes eines Tages behoben wird. Und obwohl die Gnosis wie das Christentum oft einen Erlöser wie Jesus benennt, ist sie doch keine Spaltung, keine Sektion und damit auch keine Sekte des Christentums. Das Christentum hat zwar auf die Gnosis eingewirkt, sie aber nicht begründet. Zu alt sind die Wurzeln der Gnosis. Die wohl ältesten Spuren finden sich im Iran. Hier wirkte um etwa 600 vor Christus der persische Prophet Zoraster (Zarathustra), der Begründer des dualistischen Mazdaismus/Parsismus (benannt nach seinem Ursprungsland Persien), der den guten Übergott Ahura Masda (Mazda) als Schöpfer des Lichtreiches gegen den bösen Gott Angra Manju (Ahriman) und das Reich der Finsternis antreten ließ. Die Parsen leben heute noch in Indien, wohin sie nach der islamischen Eroberung Persiens (642) flüchteten. Der Perser Mani trat in seiner Lebenszeit 216-277 nach Christus in die Fußstapfen Zorasters. Er schaffte es durch Anpassung seiner Lehre an die bereits vorhandenen Religionen und umfangreiche Übersetzung seiner Texte in fremde Sprachen, seine Lehre kontinentübergreifend in den „Rang einer Weltreligion“ [Markschies] zu heben.
Er wollte die Lehren von Zarathustra, Buddha und Christus in einem Glaubensgebäude unter streng dualistischem Himmel mit zwei gleichstarken Gottheiten vereinen und gründete hierfür seine eigene Kirche, die etwa im gesamten Sassanidenreich vorübergehend von offizieller Seite toleriert war und gelehrt werden durfte. Mani wurde nach längerer Kerkerhaft am 26. Februar 277 hingerichtet, da zorastrische Priester derweil die Konkurrenz fürchteten, sein Leichnam verstümmelt und zur Schau gestellt. Vom 3. bis zum 13. Jahrhundert, bis zum Erscheinen der Mongolen, also über 1000 Jahre war der Manichäismus in Asien, Nordafrika und Europa vertreten. Im 7. Jahrhundert saß das Oberhaupt der manichäischen Kirche in Babylon. Im 8. und 9. Jahrhundert war der Manichäismus Staatsreligion im Reich der türkischen Uiguren. In China wurde der Manichäismus bis zum 9. Jahrhundert toleriert und hielt sich im Süden des Landes bis ins 17. Jahrhundert. Von den gnostisch geprägten muslimischen Gruppen konnten sich – so Tröger – einige bis in die Gegenwart erhalten, so etwa die türkischen Alawiten/Alewiten. Er zitiert aus dem „Buch der Schatten“ dieser Glaubensgemeinschaft: „Wenn der Embryo dann herauskommt, dann steigt der gute Geist herab; das ist der lichte Geist des Glaubens, der aus dem Lichte Gottes erschaffen ist. Der setzt sich nun im Körper fest ... Dabei ist er betrübt und weint ... und er erblickt nun diesen Leib, der ein Gefängnis für den Geist der Gläubigen ist ... Wenn nun die Erkenntnis (dieses Menschen) vollkommen geworden ist ..., dann wird er aus diesem Körper (wieder) herausgebracht ...“ Von den 67,8 Millionen Türken sind etwa 15-20 Millionen alewitischen Glaubens [Auswärtiges Amt 11/2002] Bei uns existiert der Gnostizismus heute noch bewusst etwa in Gestalt der Theosophie, Anthroposophie (Steiner war etwa Herausgeber der Zeitschrift „Lucifer-Gnosis“) und der Rosenkreuzer und sie hat zudem zahllose Philosophen und Literaten angeregt, darunter Marcel Proust, James Joyce, Robert Musil, George Lukács, Ernst Bloch, Hermann Hesse, Thomas Mann, Ingeborg Bachmann, Carl Gustav Jung, Ernst Topitsch, Martin Heidegger, Walter Benjamin, Niklas Luhmann und William Butler Yeats – um nur einige zu nennen. Theoretiker wie Eric Voegelin, Harald Strohm und Reinhard Sonnenschmidt gehen davon aus, dass selbst der Nationalsozialismus mit seinem Lichtkult und seinem Glauben an das Göttliche im Blut gnostisch inspiriert war.
...glaube an das Gute im Menschen - im Bewusstsein - an das Böse in ihm...
Sola fide! ...zum Wohle aller Mitmenschen!
gnosis - am Montag, 2. Februar 2004, 17:21 - Rubrik: Neo-Gnosis