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Neo-Gnosis
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ERGO SUM QUI SUM
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Neo-Gnosis


Der neognostisch theosophisch SIEBENTE spricht ~~~~

Solche SECHS ~~~ wie wir FÜNF,

gibt es keine VIER, ~~ da wir DREI

von den ZWEI ~ das EINE sind!

Zeit und Raum und das Problem des freien Willens

Quellen: Gnosis TG - Quorum 2004 / Übs.: Lama A. Govinda

Ein Blick in den Raum ist gleichzeitig ein Blick in die Vergangenheit. Raum ist sichtbare Zeit, sichtbar jedoch nur in eine Richtung. Wir gleichen Reisenden auf dem Rücksitz eines schnell fahrenden Wagens, die nur das Rückwärtige, Zurückbleibende sehen können; aber nicht das, was im Kommen ist; aber wer weiß, ob wir uns nicht im Kreise bewegen, so dass ein Blick in die entfernte Vergangenheit gleichzeitig auch ein B1ick in die Zukunft ist? Selbst wenn sich der Kreis nicht schließt, sondern zu einer Art dreidimensionaler Spirale formen sollte, würde eine große Ähnlichkeit zwischen Vergangenheit und Zukunft bestehen. In diesem Fall könnten wir den Kreis mit dem starren Gesetz vergleichen, das alle rein rückwirklichen Vorgänge der materiellen Welt beherrscht, während die Abweichung vom Kreis (durch Eintritt in die nächst höhere Dimension) ein gewisses Maß freien Willens in den höheren Lebensformen anzeigt.

Die Entdeckung, dass es im Weltall keine gradlinige Bewegung gibt, sondern dass alles, einschließlich des Lichtes, sich in Kurven bewegt, rechtfertigt die oben erwähnten Gedanken. Haldane sagt in Possible Worlds: „Die erweiterte Relativitätstheorie scheint unvermeidlich zu der Ansicht zu führen, dass das All endlich ist, und dass das Fortschreiten in jede Richtung schließlich zum Ausgangspunkt zurückführen würde.“

Wir können Welten sehen, welche viele Tausende von Lichtjahren entfernt sind, und vielleicht werden noch mehr Welten entdeckt werden, bis wir eines Tages womöglich feststellen müssen, dass eine von ihnen unsere eigene Welt ist, allerdings nicht wie sie jetzt ist, sondern wie sie vor Billionen von Jahren bestand. Und vielleicht werden wir sie daher niemals entdecken oder besser wieder erkennen; und wir werden fortfahren, das Weltall zu durchforschen, ohne jemals zu einem Ende zu kommen. Weil der Raum (obgleich er endlich sein mag in der Form, wie wir ihn kennen), ständig vor uns zurückweicht und sich selbst geradezu vor unseren Augen in eine neue Unbegrenztheit verwandelt, nämlich in die der Zeit.

Wenn wir also den Sternenhimmel betrachten, sehen wir nicht das gegenwärtige, sondern ein vergangenes Weltall, und – was noch bemerkenswert ist – ein Weltall, dessen verschiedene Teile nicht einmal gleichzeitig nebeneinander bestanden haben, sondern einige vor wenigen Minuten und andere vor Millionen von Jahren, obgleich wir sie alle im selben Augenblick wahrnehmen.

Aber leben wir nicht, selbst in unserer unmittelbarsten Umgebung, mehr im Vergangenen als im Gegenwärtigen? Wollen wir dann nicht einsehen, dass wir fast immer in einer Welt der Trugbilder leben, wenn wir uns der Tatsache bewusst werden, dass selbst unser Körper tatsächlich die sichtbare Erscheinung unseres vergangenen Bewusstseins ist, das diese stoffliche Form aufgebaut hat gemäß seinen besonderen Strebungen und seiner Entwicklungsstufe? Dies ist wohl der Grund, warum unsere Sinnesorgane sich der Vergangenheit zuwenden, nämlich den verfestigten Formen und den Schwingungen, die von diesen ausgehen, aber nicht der Zukunft und Gegenwart im eigentlichen Sinne.

Seinem Wesen nach ist der Körper tatsächlich Wirken (Karma), das sich als leibliche Form niedergeschlagen hat, sichtbar gewordenes Bewusstsein vergangener Lebensmomente. Karma ist nichts anderes als wirkende Kraft des Bewusstseins, die in ihrem Ergebnis (vipaka) sichtbar wird. Die sichtbare Gestalt ist also tatsächliche Vergangenheit und diejenigen, die ihr gegenüber Abstand gewonnen haben, empfinden sie als etwas Fremdes.

Die zweideutige Stellung des Körpers als das Ergebnis von früheren Bewusstseinsabläufen und als Grundlage des gegenwärtigen Bewusstseins kommt auch zum Ausdruck in der Tatsache, dass ein Teil seiner Tätigkeiten bewusst ist und unsrem Willen unterworfen, z.B. die Bewegungen unserer Glieder, die Fähigkeit des Sprechens usw., während ein anderer Teil unbewusst verläuft und nicht von unserem Willen abhängig ist (und deshalb auch nicht von unserem gegenwärtigen Bewusstsein), wie z.B. Blutkreislauf, Verdauung, innere Sekretion, Wachstum und Zerfall der Zellen usw. Das Atmen nimmt eine Mittelstellung ein, weil es aus einem unbewussten in einen bewussten Vorgang verwandelt werden kann. Daher vermag das Atmen die Gegenwart mit der Vergangenheit zu verknüpfen, das Geistige mit dem Körperlichen, das Bewusste mit dem Unbewussten. Es ist der Mittler, der einzige Lebensvorgang, durch den wir fassen, was geworden und was im Werden ist, durch den wir die Vergangenheit und die Zukunft meistern können. Daher ist das Atmen der Ausgangspunkt für schöpferische Meditation.

Wir leben vorwiegend in einer mittelbar zugänglichen, rückwirklichen Welt, und nur selten erleben wir tatsächliche Wirklichkeit, nämlich die Gegenwart. Unsere üblichen Reaktionen folgen alten Gewohnheiten, altem Brauch und gründen sich deshalb auf der Vergangenheit, die aufgespeichert ist in Form von Instinkten, Gedächtnisinhalten, begrifflichen und gefühlsmäßigen Verknüpfungen usw. Obgleich diese Vorgänge notwendig sind für den Zusammenhalt und Weiterbestand unserer geistigen und körperlichen Lebensvorgänge, bilden sie doch nur die Unterlage unserer Existenz, die passive Seite unseres Lebens; sie sind sowohl persönliches als auch unser gemeinschaftliches Erbe. Solange dieses Erbe vorherrscht, leben wir im Wesentlichen in der Vergangenheit.

Indessen ist es eine Tatsache, dass unser Bewusstsein nicht nur in eine Richtung zielt wie der Körper und die Sinne, sondern sowohl an der Gegenwart als auch an der Zukunft teilhat, falls wir ihm eine Gelegenheit dazu geben, indem wir es wenigstens zeitweise von der Last der Vergangenheit befreien. Das geschieht während andächtiger religiöser Betrachtung, in Augenblicken der Ergriffenheit durch eine Idee, beim Erlebnis eines Kunstwerkes oder der unberührten Natur, also bei allen Zuständen tiefer Hingabe und Sammlung. Dann wandelt sich jeder Gegenstand des Bewusstseins, gleich ob geistig oder stofflich, in ein persönliches und unmittelbares Erlebnis, dessen Frische durch keine früheren Verknüpfungen verwässert und dessen Ursprünglichkeit nicht verfälscht wird. Wer in der Gegenwart lebt, schaut alles mit einem vollkommen unbeschwerten, vorurteilsfreien und offenen Bewusstsein, er erlebt so tief, als sähe er die Dinge zum ersten Mal. Er bewahrt oder erneuert seine geistige Frische und Wachheit – die charakteristischen Eigenschaften des Genies.

Gewöhnlich leben wir uns weg vom Leben, entweder dadurch, dass wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen oder indem wir die Zukunft vorwegnehmen. Beide Geisteshaltungen bedeuten Unfreiheit, ganz gleich, ob jemand tätig ist oder sich treiben lässt. Wer das anfanglose Greifen und Haften überwindet, befreit sich von der Vergangenheit. Deshalb liegt der buddhistischen Meditation keine andere Absicht zugrunde, als den Geist in die Gegenwart zurückzuführen, in den Zustand völlig wachen Bewusstseins. Das wird erreicht durch Beseitigung aller Hindernisse, die durch Gewohnheit oder Überlieferung geschaffen worden sind. „Ich habe einen Lama sagen hören, dass ein Meister, ein Führer auf dem ‘Kurzen Pfad’, die Aufgabe hat, ein ‘Ausräumen’ zu überwachen. Er muss seinen Schüler anregen, sich frei zu machen von Meinungen, Vorstellungen, übernommenen Gewohnheiten und inneren Neigungen, welche zum Teil seinen gegenwärtigen Geist beherrschen und die in der Reihe früherer Lebensläufe erworben worden sind und deren Ursprung sich im Dunkel der Zeit verliert. Darüber hinaus muss der Meister seinen Schüler anhalten, auf der Hut zu sein vor der Annahme neuer Meinungen, Vorstellungen und Gewohnheiten, die ebenso unbegründet und unvernünftig sind wie jene, die er eben abschüttelt. Der Schüler auf dem ‘Kurzen Pfad’ muss sich vor neuen Einbildungen hüten. Zwar wird dem Schüler in der Meditation zuweilen das Gestalten von geistigen Bildern vorgeschrieben. Er soll bewusst Wahrnehmungen und Erscheinungen erzeugen und erfährt dabei deren illusorische Natur, welche wir sonst als wirklich hinnehmen, obgleich auch sie nur auf Phantasietätigkeit beruhen. Der einzige Unterschied besteht nur darin, dass Phantasieschöpfungen unbewusst erfolgen. Der tibetanische Reformer Tsongkapa erklärt Meditation als das Mittel, sich selbst zu befähigen, alle Phantasieerzeugnisse zusammen mit ihren Vorbedingungen zu verwerfen“ (Alexandra David-Neel: With Mystics and Magicians in Tibet. Penguin Ed., p. 245).

In diesem Zusammenhang gewinnen folgende Worte Tilopas besondere Bedeutung: „Bemühe dich um Selbsterkenntnis durch Beobachten der Symbole, die in deinem eigenen Geist auftauchen; ohne zu phantasieren, ohne zu grübeln, ohne zu zergliedern, ohne krampfhaftes Nachdenken, ohne bohrende Innenschau; halte deinen Geist in seinem natürlichen Zustand“ (Evans-Wentz: Tibetan Yoga and Secret Doctrine).

Solange wir in der Vergangenheit leben, sind wir dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen, das keinen Raum für freie Willensentscheidungen lässt und uns zum Sklaven der Notwendigkeit macht. Dasselbe gilt für das so genannte „Leben in der Zukunft“, wobei mit Hilfe von Erinnerungsvorstellungen und vergangenen Erfahrungen Wunschbilder erzeugt werden; das Vergangene wird gleichsam in die Zukunft projiziert. Werden jedoch Vergangenheit oder Zukunft in Augenblicken der Hellsicht erfahren, so werden sie zur Gegenwart; diese eben ist unsere einzige Möglichkeit, die Wirklichkeit zu erleben. (Während das sonstige Verweilen in Vergangenheit oder Zukunft nur verzerrte und verfälschte Spiegelung ist.) Nur in Augenblicken heller Wachheit und Achtsamkeit leben wir in der Gegenwart, sind wirklich frei.

Auf diese Weise haben wir teil an beidem: am Reich des Gesetzes und der Notwendigkeit und an dem der Freiheit. Die Wissenschaft, die sich nur mit dem Gewordenen beschäftigt, mit den gestalteten Formen, aber nicht mit dem eigentlichen Wesen der Wirklichkeit oder dem tatsächlichen Vorgang des lebendigen Werdens und daher eher eine rückwirkliche als eine wirkliche Welt erforscht, kann sich nur eine Welt vorstellen, in der Gesetz oder Notwendigkeit unumschränkt und ausschließlich herrschen. Deshalb kann die Wissenschaft in der Frage von Freiheit und Unfreiheit des Willens der Lebewesen nicht Richter sein, d. h. der Lebewesen, die die Fähigkeit der Anpassung und Selbsterhaltung besitzen und mit der Gabe des Bewusstseins ausgestattet sind. Das gilt auch für die Philosophie, solange sie sich auf wissenschaftliche Ergebnisse und Methoden stützt wie den logischen Schluss usw., die alle derselben rückwirklichen Welt angehören, der niederen Zeitdimension. Abstraktes Denken wird immer zu einem extremen und einseitigen Ergebnis führen. Denn es beschränkt das Problem der Wirklichkeit auf feste Begriffe und ideologisch fein säuberlich getrennte Schubfächer, die auf einer gedachten Ebene ausgewechselt werden können. Diese ist in der Wirklichkeit ebenso wenig vorhanden wie jene begrifflichen Einheiten. Aber diese Beschränkung erlaubt dem Wissenschaftler ein peinlich genaues Gruppieren, entweder auf der einen oder der anderen Seite der Gleichung, so dass immer ein entweder positives oder negatives Ergebnis zustande kommt. In jedem Fall eine endgültige Entscheidung zwischen den beiden Seiten.

Gewöhnlich nimmt man an, dass die durch Denken aufgebaute Welt der wirklich erlebten Welt entspricht (ganz abgesehen von dem Begriff einer Welt „an sich“). Diese stillschweigende Annahme ist die Hauptquelle unserer unwirklichen und irrtümlichen Weltanschauung. Unsere erlebte Welt schließt die gedachte Welt ein, aber nicht umgekehrt. Denn unser Leben umfasst mehrere Dimensionen, von denen der Intellekt, die Fähigkeit zu denken und Begriffe zu bilden, nur eine ist.

Wenn wir die Erlebnisse höherer Dimensionen gedanklich darstellen, tun wir dasselbe wie ein Maler, der dreidimensionalen Raum auf einer zweidimensionalen Fläche wiedergibt. Er kann das nur tun, indem er auf die Darstellung wesentlicher Eigenschaften des Raumes verzichtet und indem er eine neue Ordnung der Maßverhältnisse einführt, die aber nur innerhalb seines künstlerischen Schaffens und nur in einer bestimmten Hinsicht gelten. Was für den Maler die Gesetze der Perspektive, sind für den Denker die Gesetze der Logik. Beide opfern Werte einer höheren Dimension; sie wählen aus und beschränken sich auf einzelne Gesichtspunkte. Auf diese Weise erscheinen ihre Gegenstände nur einseitig, nämlich von der Seite, die ihrer Vorgefassten Meinung entspricht, und in einer veränderten Größenordnung, nämlich verkürzt.

Aber der Künstler überträgt nur seine Eindrücke von einer Dimension bewusst in die andere, und zwar nicht mit der Absicht, die gegenständliche Wirklichkeit nachzuahmen oder neu zu erschaffen. Er will nur seine Haltung gegenüber der Wirklichkeit kundtun und wie die Wirklichkeit ihn beeindruckt hat. Der Denker aber ist gewöhnlich davon überzeugt, dass er in seinem Denken die Wirklichkeit tatsächlich und getreu darstellt. Irrtümlicherweise nimmt er die verkürzende Größenordnung seiner zweidimensionalen Logik für Weltgesetz. Wohl ist die Anwendung der Logik im Denken genauso notwendig und gerechtfertigt wie die Anwendung der Perspektive in der Malerei – aber nur als Mittel des Ausdrucks und nicht als Merkmal und Maßstab der Wirklichkeit.

Die Aufgabe der Philosophie kann also nicht darin bestehen zu entscheiden, ob die Freiheit oder Unfreiheit des Willens ein wirkliches Kennzeichen der Welt ist, denn es gibt kein „Entweder- Oder“. Es gibt keine zwei Möglichkeiten, zwischen denen wir uns entscheiden können, sondern nur zwei Seiten derselben Sache. Wenn der Logiker nicht imstande ist, diese beiden Seiten unserer Erfahrung in seinem Weltbild zu vereinen, mit anderen Worten, wenn er es unvereinbar findet mit den Gesetzen der Logik, dann beweist er nur, dass seine Logik ungeeignet ist, mit der Wirklichkeit fertig zu werden. Denn hier haben wir mit der unmittelbaren Form der Wirklichkeit zu tun, mit den wesentlichsten Tatsachen der menschlichen Erfahrung, die weder Philosophie noch Religion wagen kann zu verneinen oder zu vernachlässigen:

1. Dass wir uns frei fühlen und verantwortlich für unsere Handlungen und dass diese innerste Erfahrung des freien Willens die Voraussetzung für unser Dasein als bewusste Einzelwesen ist. Ohne diesen freien Willen wären wir lediglich Automaten, und die Fähigkeit des Bewusstseins würde nicht nur überflüssig, sondern sogar hinderlich sein.

2. Die Tatsache, dass wir in einer Welt leben, die Gesetzen unterworfen ist, die, obgleich sie unsere Freiheit einschränken, uns die Möglichkeit geben, unsere Handlungen zu planen, auszurichten und zu ordnen, um auf diese Weise unser Verhalten der Umgebung anzupassen.

An dem eisernen Gesetz von Ursache und Wirkung ist nicht zu rütteln. Aber sobald wir eingesehen haben, dass gewisse Ursachen gewisse Ergebnisse zeitigen, sind wir fähig oder können wir es doch werden, zwischen verschiedenen Möglichkeiten des Handelns zu wählen. Wer sich aber einmal entschlossen hat, muss dem durch den ersten Schritt bestimmten Lauf der Dinge folgen.

Es mag verhältnismäßig selten sein, dass wir eine echte Möglichkeit zur Entscheidung haben. Im Allgemeinen erwächst eine Lebenslage mit Notwendigkeit aus einer vorhergehenden und bestimmt den weiteren Ablauf des Geschehens. Aber die Tatsache, dass wir unsere Fähigkeiten des Unterscheidens, Nachdenkens und Entscheidens entfalten können, darf nicht übersehen werden. Auch nicht die Tatsache, dass verschiedene Personen in derselben Lebenslage voneinander abweichende Entscheidungen treffen. Der Anhänger des unfreien Willens wird hier einwenden, dass diese Tatsache kein Beweis für den freien Willen ist, weil jeder gemäß seinem Charakter handelt, von dem er abhängig ist wie der Stein vom Gesetz der Schwerkraft. Dies ist ein Einwurf, der ebenso töricht wie unlogisch ist, weil wir hier mit Worten zu spielen beginnen, ohne Rücksicht auf ihre Beziehungen zum Leben, so als ob jedes Lebewesen ein Ganzes für sich wäre oder eine mathematische Größe mit einem feststehenden Wert.

Freier Wille ist der Ausdruck eines persönlichen Wollens, d.h. des Willens, der dem Wesen einer Persönlichkeit entspricht. Der Ausdruck „freier Wille“ setzt schon das Vorhandensein einer Individualität oder eines individuellen Charakters voraus. Nur eine Persönlichkeit kann eine Willensregung haben, und wenn diese frei ist, so drückt sie die besondere Eigenart dieser Persönlichkeit aus.

Der gesetzmäßige Ablauf eines Naturvorganges erfolgt automatisch und überall in gleicher Weise. Der freie Wille dagegen wirkt bewusst und individuell. Ein Wille, der zusammenhanglos mit und beziehungslos zu unserer eigenen Natur wirkte, wäre sinnlos und könnte nicht „freier Wille” genannt werden, obgleich er frei wäre von jedem denkbaren Gesetz. Gäbe es einen größeren Widersinn?

Wir können also zusammenfassen:

1. Freier Wille, oder allgemein gesagt, Freiheit ist nicht Willkür.

2. Freier Wille kann niemals ein Gegenstand der Beobachtung sein, sondern nur persönliches Erlebnis. Das Problem von Freiheit und Notwendigkeit ist ganz und gar ein persönliches Problem und kann niemals an einem anderen Objekt (wissenschaftlich oder philosophisch) gelöst werden.

3. Freier Wille ist ein relativer Ausdruck. Er bezeichnet eine Beziehung zwischen einer bewussten Persönlichkeit und ihrer Umgebung oder zwischen ihr und einer bestimmten Lebenslage.

4. Deshalb kann es keinen absolut freien Willen geben.

5. Unter freiem Willen verstehen wir die Freiheit eines Individuums, seinen eigenen Willen auszudrücken. Gemäß seinem eigenen Wesen und seiner eigenen Einsicht (also entsprechend der eigenen Entwicklungsstufe) im Gegensatz zu einer mechanischen Rückwirkung, welche einem allgemeinen Gesetz folgt ohne Einsicht und ohne Verständnis ihres Wesens.

6. Der Ausdruck freier Wille besagt nicht, dass er gesetzlos ist oder dass sein eigenes Gesetz im Gegensatz zu allgemeinen Gesetzen steht. Er kann den allgemeinen Gesetzen folgen oder auch nicht, und in vielen Fällen verändert er sie und verwandelt sie in persönliche Gesetze.


Wir können unseren persönlichen Willen mit einer Lokomotive vergleichen und die allgemeinen Gesetze mit einem Schienensystem. Vor Beginn der Fahrt bestehen viele Möglichkeiten. Aber ist einmal die Weiche gestellt, muss die Lokomotive in der begonnenen Richtung weiterfahren. Die beiden Reiche Freiheit und Notwendigkeit (Ethos und Logos, freier Wille und Gesetz), die anscheinend einander ausschließen, sind in der menschlichen Persönlichkeit vereinigt. Was uns von außen als Notwendigkeit erscheint, kann der echteste Ausdruck von Freiheit, von freiem Willen sein, wenn er sich mit dem inneren Gesetz oder dem Wesen der Persönlichkeit deckt.

Und hier erhebt sich die Hauptfrage: Sind nicht vielleicht Gesetze vorhanden, die unser Verstand als außerhalb von uns auffasst und die wir daher als uns gegen unseren eigenen Willen aufgezwungen betrachten – sind nicht eben diese Gesetze unsere eigene geistige Schöpfung und deshalb wahrhaft der Ausdruck unseres allereigensten Willens? Wie kann der Denker annehmen, dass er oberhalb der Welt und oberhalb der Persönlichkeit steht, und vorgeben, dass er ein objektiver Beobachter in einer Sache ist, wo innere Erfahrung – auf der eben die Gesetze, die er zu erforschen wünscht, gegründet sind – die einzige Quelle seines Wissens ist? Er gleicht einem Mann in einem fahrenden Wagen, der meint, dass sich die Dinge rings um ihn bewegen, ohne zu merken, dass er selbst eben in Bewegung ist.

Wir können unseren Standpunkt am besten mit den bezeichnenden Worten A. Eddingtons zusammenfassen (aus Space, Time and Gravitation): „Wir fanden eine seltsame Fußspur an der Küste des Unbekannten. Wir haben tiefsinnige Lehrmeinungen ersonnen, eine nach der anderen, um ihren Ursprung zu erklären. Schließlich glückte es uns, das Wesen zu begreifen, von dem die Fußspur herrührt. Und siehe da, sie ist unsere eigene!“ Wenn die Wissenschaft dies zugibt, wird sie einen neuen Abschnitt beginnen, in der Physisches und Metaphysisches nicht mehr sich ausschließende Gegensätze sind und in dem die Erforschung der Welt uns neue Dimensiolässtdes Geistes entdecken lässt.

Ich träume von dem Tag...
...wo der Geist Gottes siegt

über den Ungeist unserer Zeit,
...wo Vertrauen siegt
über Misstrauen und Eifersucht,
...wo die Wahrheit siegt
über Lügen und Verleumdung,
...wo das Reden siegt,
über das Schweigen,
...wo das Miteinander siegt,
über das Gegeneinander.

Ich träume von dem Tag...
...wo der Dialog siegt
über den Monolog und Tratsch,
...wo die Hoffnung siegt
über die Mutlosigkeit und
Verzweiflung,
...wo Freundschaft siegt
über die Feindschaft,
...wo die Toleranz siegt
über Intoleranz und Herrschsucht,
...wo die Zufriedenheit siegt
über die Unzufriedenheit.

Ich träume von dem Tag...
...wo der wahre Glaube siegt
über Irrglaube und Aberglaube,
...wo Fröhlichkeit siegt
über Traurigkeit und Verbitterung,

...wo gute Laune siegt
über die Griesgrämigkeit,
...wo die Warmherzigkeit siegt
über die Gefühlskälte,
...wo die Blume siegt
über den Asphalt.

Ich träume von dem Tag...
...wo die Großzügigkeit siegt
über Neid und Habgier,
...wo der Friede siegt
über Unfriede und Krieg,
...wo die Nächstenliebe siegt
über Egoismus und Lieblosigkeit,
...wo die Zärtlichkeit siegt
über die Brutalität,
...wo die Gute siegt
über das Böse.

Ich träume von dem Tag...
...wo die Einfachheit siegt
über die Arroganz,
...wo die Menschlichkeit siegt
über die Bürokratie,
...wo die Geduld siegt
über die Ungeduld und Hektik,
...wo der Tag siegt
über die Nacht und Finsternis.
Ich träume von dem Tag.
Ich träume aber auch von dem Tag,
wo es keine Sieger und Verlierer mehr gibt.

Wohin (?)

Da sitzt du nun und hast kapiert!
Alles ist so wohl sortiert,
dein Leben hast du arrangiert,
die Meilensteine sind markiert.

Da stehst du nun und schwankst,
ob du deinem Schöpfer dankst -
Oder nur die Kraft neu tankst,
an neue Ufer du gelangst.

Da gehst du nun, willst es nicht glauben,
willst du dich deiner selbst berauben?
Dein Lebensbaum könnte entlauben
und du dabei endgültig verstauben.

Da rennst du nun, ahnst die Gefahr,
alles zu verlieren, was mal war.
In manchen Augenblicken gar
gibst du dich wie der letzte Narr!

Da fällst du nun und fluchst!
Merkst, wie du dich selbst noch suchst.
Fühlst, wie in der Vergangenheit du dich besuchst,
obwohl du lieber für die Zukunft buchst.

Du liegst am Boden ohne Elan,
kein Freund, kein Feind schaut dich mehr an.
Endlich, noch liegend, dämmert es dir: "Voran!"
Nur eines fehlt dir noch, ein Plan.

Du siehst deine Kinder, ihre fragenden Gesichter.
Du willst nach oben, doch immer dichter
wird die illustre Schar deiner Richter.
Aber am Ende des Tunnels siehst du die Lichter.
Du schaust nach vorn und auch zurück
und plötzlich weitet sich dein Blick!
Du kämpfst dich hoch ein kleines Stück,
empfindest dies als großes Glück!

Du freust dich über jeden Meter,
auch deine Pläne werden wieder konkreter.
Die Gedanken an das ewige Gezeter
deiner Richter verschiebst du auf später.

Dann triffst du auf die ersten Begleiter.
Ihr habt alle nur ein Ziel: "Weiter!"
Gemeinsam begebt ihr euch heiter
auf die Suche nach einer brauchbaren Leiter.

Dann gelangt ihr plötzlich an eine Mauer.
Doch gemeinsam seid ihr natürlich schlauer.
Ihr betrachtet euch die Sache genauer
und sucht dabei nach einer Lösung auf Dauer.

Dann habt ihr die Lösung, auch du freust dich sehr.
Ein Loch in die Mauer und die Leiter muss her!
Mit Problemen rechnet keiner mehr,
nur eure Akkus sind fast leer.

Nun, schon mit leeren Akkus jedoch,
zwängst auch du dich durch dieses Loch.
Familie und Freunde helfen dir noch,
mit vereinten Kräften schafft ihr es doch!

Nun brechen auch die letzten Schranken.
Du willst dich bei allen auf einmal bedanken.
Doch bereits am nächsten Tag ranken
sich um die Familie deine Gedanken.

Jetzt bist du sicher, dein Leben steckte in einem Mieder!
Dein eigenes "ICH" drückte dich nieder.
Endlich schüttelst du die lahmen Glieder.
Jetzt weißt du es "Zurück" - Nie wieder!

Kannst du das Schönste nicht erringen,
so mag das Gute dir gelingen.
Ist nicht der große Garten dein,
wird doch ein Blümchen für dich sein.

Nach Großem drängt's dich in der Seele?
Dass sie im Kleinen nur nicht fehle!
Tu heute recht - so ziemt es dir;
der Tag kommt, der dich lohnt dafür!

So geht es Tag für Tag; doch eben
aus Tagen, Freund, besteht das Leben.
Gar viele sind, die das vergessen:
Man muss es nicht nach Jahren messen.

DU kannst (!)

Ver-rückte glauben „erleuchtete“ nichts, aber fürchten alles.

Angst vor dem Tode entsteht oftmals aus Versagen im Leben.

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute.
Seht euch an, wo uns die vernünftigen hingebracht haben!

In uns allen steckt ein Stück Schöpfungsgeschichte.
Jeder hat seinen eigenen Urknall.;)

Nicht alle, die sich hier befinden sind es,
noch befinden sich alle hier, die es sind.

Ängstlichkeit nimmt nicht dem Morgen seine Sorge,
aber dem Heute seine Kraft.

Wer vor Wasser Angst hat, wird keinen Fisch fangen.

Zuversicht ist Einsicht auf Aussicht.

Jeder neue Tag hat zwei Griffe.
Wir können ihn am Griff der Ängstlichkeit oder
am Griff der Zuversicht halten.

Ver-rückte Welt – ver-rückte Zeit,
ver-rückter Geist – ich bin gefeit!

Gibt es Erleuchtung, oder ist es am Ende doch nur Geblendetsein?

Erleuchtung ist die erwartungsfreie Hingabe an den Augenblick.

Sagst du immer "Nein",
bist du bald allein.
Doch sagst du immer "Ja",
ist auch bald keiner mehr da.

Wenn man zum Leben ja sagt,
und das Leben selber sagt zu einem nein,
so muss man auch zu diesem NEIN ja sagen.

Was die Menge hasst, musst du prüfen!
Was die Menge liebt, musst du prüfen!


Keine Selbsterkenntnis ohne Menschen- und Welterkenntnis.
… in sich kehren -wirbelt viel alten Staub auf! ;)

Weise Zuhörer, die Weisheit der Erleuchtung ist von Natur aus in jedem von uns.
Aufgrund von Verblendung erkennen wir sie nicht,
und so suchen wir die Belehrung der Erleuchteten,
um die Essenz unseres eigenen Geistes zu erkennen.

Der Edle ist bewandert in der Pflicht,
der Gemeine ist bewandert im Gewinn.

Komiker bringen einen gleich zum Lachen,
Humoristen zuerst zum Nachdenken.


Andere erkennen ist weise. Sich selbst erkennen ist Erleuchtung.

Korrigieren ist beeinflussen (!)

Wenn wir - den verfehlten Augenblick [die ICH-Tepp-ICH-Reflexion] nicht immer im Griff haben [der ärgerlich [korrigierbare]- passiert mir nie wieder ICH-Tepp-ICH-Appell] – ursächlich nebulös – sei es durch unsere Denkmuster oder
unvermittelt placierte Beeinflussung universeller Art und Weise.

So können wir demgemäß – wohlweislich auch Beeinflussen und/oder Korrigieren! …oder?

… - alles ist beeinflussbar – verschiebbar – korrigierbar –…

*** SELBSTBEEINFLUSSUNG durch SELBSTKORREKTUR ***

*** DIE RICHTUNG offenbart DEN KONFLIKT ***


[…es bedarf jedoch einer gewachsenen altruistisch spirituellen Bewusstseinsbildung…]

…die Nase allein zukorrigieren [zu verschieben]…ändert den Menschen unwesentlich…;)

SOLI DEO GLORIA

[?] Willy Astor …Nein, kenn ich zuwenig – dennoch köstlicher Wortwitz!

Geheime Evangelien und
verlorene Christenheiten


Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs
zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben.
– Matthäus 13:11


Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen,
dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine

Stimme. – Johannes 18:37



Was ist Wahrheit?“ fragte Pilatus – eine Frage, die eines Philosophen
würdig ist. Seit fast zwei Jahrtausenden haben christliche Theologen,
Priester und Laien gleichermaßen versucht, sie zu beantworten und ihre Identität
als Menschen „der Wahrheit“ zu definieren. Aber bald entstanden Konflikte
darüber, was Jesus lehrte, und sichtbare Grenzen begannen aufgezeichnet
zu werden, die Wahrheit und Irrtum, rechte Ansichten und Ketzerei und,
unvermeidlich, „unser Gott und euer Gott“ definierten – ein tragisches
Paradoxon in einem Glauben, der sanftmütige, liebevolle Weisheit lehrt. Die
eigentlichen Lehren Jesu zu erkennen ist ein anderes Paradoxon: „Sucht und
ihr werdet finden“ wird in beiden Testamenten empfohlen und unsere sicherste
Antwort soll in unseren Herzen sein. Was aber die Schrift und Tradition
betrifft – wer definiert Wahrheit und was spirituell authentisch ist?
Eine vielfach in den Religionen zu beobachtende Ereigniskette veranschaulicht
das Problem: Ein Lehrer wie Jesus oder Gautama beginnt zu lehren. Er ist
nicht sehr bekannt – die Menschen sind oft zufrieden mit ihrem eigenen
Glauben oder mit anderen Dingen beschäftigt. Historiker nehmen ihn
vielleicht gar nicht wahr, weshalb sich spätere Generationen fragen, ob er
überhaupt existierte. Die meisten Menschen lehnen ihn ab, denn er erfüllt ihre
Erwartungen von einem Lehrer nicht, und seine Lehren decken sich nicht mit
ihrem eigenen Glauben. Tatsächlich erscheinen sie oft neuartig und sonderbar, sie fordern etablierte Normen heraus.


Aber einige wenige erkennen den
Wert der Botschaft und – tief inspiriert – teilen sie diese mit anderen. Mit der
Zeit entsteht eine Tradition, um die Lehren zu bewahren und zu übermitteln,
schließlich werden sie vielleicht niedergeschrieben. Nun, da das vielleicht
Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte nach dem Tod des Lehrers geschieht, mag
seine ursprüngliche Botschaft, durchsetzt von fremden Lehren oder sonst wie
verändert, teilweise vergessen sein. Weitere Schwierigkeiten entstehen, wenn
wir erkennen, dass sowohl Lehren für die Allgemeinheit als auch geheime
Lehren existieren, wobei die inneren Mysterien den „spirituell Reifen“ vorbehalten
sind – eine frühe christliche Phrase. Wenn wir verlorene und zerstörte
Schriften beiseite lassen, sind so gut wie alle Aufzeichnungen von Lehren bearbeitet,
einige Texte hinzugefügt, abgeändert oder ausgelassen, und aufgrund
von Schreibfehlern gibt es unterschiedliche Lesarten. Sie werden auch übersetzt,
manchmal falsch übersetzt, Kopien werden von Kopien angefertigt und
im Laufe der Jahre erodiert die ursprüngliche Botschaft Stück für Stück.
Es gibt jedoch noch ernsthaftere Probleme: Sobald der Lehrer stirbt, entsteht
eine Diskussion über den Inhalt der Botschaft. Ein Schüler denkt, der
Meister habe die eine Bedeutung im Sinn, ein anderer meint etwas anderes. Bei
dem Versuch, die wahren Lehren zu erhalten und zu erklären, bilden sich Interpretations-
Schulen, man entscheidet über übereinstimmende Punkte, formalisiert
Dogmen und ein Schisma folgt dem anderen – ganz zu schweigen von der
Unmenge an unechten Lehrern und neuen Offenbarungen –, die alle spirituelle
Autorität beanspruchen, bis wir schließlich eine bunte Vielfalt einander widersprechender
Lehren, Systeme und Gruppierungen haben. Eine Wiederholung
des Turms von Babel – eine Sprachverwirrung – und leider ein Muster, von
dem nur wenige religiöse Bewegungen ausgenommen sind.
Dieses Muster, so weit es die christliche Geschichte betrifft, ist den Gelehrten,
dem Klerus und der gebildeten Allgemeinheit gut bekannt. Jedenfalls
veränderte sich seit 1945 mit der Entdeckung der einzigartigen Sammlung
frühchristlicher Dokumente in Nag Hamadi, Ägypten – zu denen die jüdischen
Schriftrollen vom Toten Meer und andere Entdeckungen im 20. Jahrhundert
hinzukommen – die Art und Weise, wie diese Geschichte interpretiert,
verstanden und wiedererzählt wird, deutlich. 2003 brachten verschiedene
Bücher anerkannter Gelehrter des frühen Christentums die Arbeit von mehr als
einem halben Jahrhundert über die Schriften von Nag Hamadi und deren
Beziehung zum traditionellen Christentum zu einer Synthese. Gemeinsam
betrachtet bieten vier dieser Bücher eine durchdachte, verständliche und doch
detaillierte Geschichte der Vielfalt der frühen christlichen Gemeinden von der
Zeit Jesu bis zur Bildung des Kanons des Neuen Testaments und die verschiedenen
Arten, in denen jene Geschichte seither erzählt wird. 1 Wie ihre Titel
andeuten, konzentrieren sie sich auf jene Gruppen und Schriften, welche die
geheimen Lehren Jesu betonen – die Mysterien und die verborgene Weisheit
Gottes, auf die sich das Neue Testament bezieht – und die Wichtigkeit der
Gnosis („Wissen“, spirituelle Unterscheidungskraft oder Erleuchtung), die für
spirituelle Erneuerung notwendig und auch deren Frucht ist.
Bis 1945 stammte ein Großteil der Information über die Gnostiker aus
zweiter oder dritter Hand, hauptsächlich aus den kritischen Schriften der
frühen Häretiker wie Irenäus, Tertullian, Clemens von Alexandria und Epiphanius2
gewonnen. Ihre Bemühungen waren vor allem durch die erkannte
Notwendigkeit motiviert, den Glaubensinhalt zu definieren, um eine kohäsive
christliche Gemeinde zusammenzuschweißen, deren fragile Existenz häufig
durch Verfolgung von außen und geteilte Meinung von innen bedroht war.
Abgesehen von umkämpfter Verdrehung, Fantasie und Schwindel konzentrierte
sich eines der hartnäckigsten Probleme auf das esoterische Wissen – die
Mysterien, auf die sich Jesus bezog: Wie soll man das Undefinierbare definieren,
„das, was nicht oder nur verbotenerweise ausgesprochen werden kann“,
und von dem unterscheiden, was sie als „falsche so genannte Gnosis“ empfanden?
Genau wie in den lebendigen New Age Laboratorien heute gab es im
ersten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung eine Übersättigung divergierender
Ansprüche. Wie Bart Ehrmann betont schreiben die Sieger die
Geschichtsbücher und wählen die heiligen Texte aus.
Für die frühen „protoorthodoxen“
Kirchenväter bedeutete die Schaffung einer christlichen Identität nicht nur die Definition von Strukturen und Glaubensinhalten, sondern auch
die Definition ihrer Gegner, indem sie aufzeigten, wie verschieden, falsch und
böse die Lehren jener waren – im Gegensatz zu den authentischen Lehren
Jesu, wie sie von den Aposteln und ihren auserwählten Erben übermittelt
worden waren. Jedenfalls enthüllen die in Nag Hamadi gefundenen Dokumente,
von denen viele auch apostolische Autorität beanspruchen, ein Bild
von einigen dieser „verlorenen Christenheiten“, das sich mit den Standardversionen
auf signifikante und fundamentale Art und Weise nicht vereinbaren
lässt.
Die vier besprochenen Bücher fügen sich zu einer natürlichen Folge; Elaine
Pagels Buch bietet einen liebenswürdig geschriebenen Einstieg in das Fachgebiet,
das drei Jahrzehnte unmittelbaren Studiums auf dem Gebiet und eine
lebenslange persönliche Verbindung mit dem christlichen Glauben herausdestilliert.

Das Buch Beyond Belief – an ein allgemeines Publikum gerichtet –
vermittelt einen weitläufigen Überblick über die zentralen Themen der frühen
christlichen Geschichte und ist wohltuend wenig mit wissenschaftlichen Fachsimpeleien
überhäuft, obwohl es zahlreiche Hinweise mit Referenzen und
Büchervorschläge zu weiterem Studium enthält. Ein Kritiker jedenfalls beschrieb
ihr Buch als „‘Religion light’ für die PBS-Masse [Öffentlichen Sendeanstalten]“
und argumentiert, dass „fast jede Verallgemeinerung in Frage
gestellt oder verändert werden könnte“. 2 Zweifellos könnten sie das, aber mir
erscheint das ein gesunder Teil einer spirituellen Entdeckung zu sein und eine
der effektivsten Methoden, Dogmatismus zu vermeiden. Und hier ragt Elaine
Pagels mit Ehrlichkeit und Einsicht hervor und lädt den Leser zur Teilnahme
auf ihrer Suche nach Wahrheit ein.

Elaine Pagels, die immer vom Johannes-Evangelium fasziniert war, schloss
sich als jugendlicher Teenager einer evangelischen Kirche an, wo sie das fand,
wonach sie sich damals sehnte: „Die Sicherheit, der richtigen Gruppe anzugehören,
die wahre ‘Herde’, die alleine zu Gott gehörte.“ Dennoch wurde sie
sich allmählich der störenden Unterströmungen im Johannes-Evangelium
bewusst, die im Gegensatz zu der Lehre Jesu stehen, nämlich „einander zu
lieben“: ein ausgesprochener Antisemitismus und eine Verurteilung der
Ungläubigen. Bald lernte sie auch den „Preis der Zugehörigkeit“ kennen:
Die Leiter der Kirche, die ich besuchte, sahen ihre Verantwortung nicht darin,
mit Außenstehenden in Verbindung zu treten, sondern sie zu bekehren. Als

Einige Jahre später – sich immer noch fragend, was
am Christentum so verlockend war – entschloss sich
Pagels, nach dem „wahren Christentum“ Ausschau zu
halten und nahm ihr Doktorandum an der Universität
von Harvard auf wobei sie entdeckte, was damals
außerhalb akademischer und theologischer Kreise wenig
bekannt war: Evangelien und apokryphe Schriften
(geheime Bücher), die während der ersten Jahrhunderte
verfasst wurden und Aussprüche, Rituale und Dialoge
enthielten, die man Jesus und seinen Schülern zuschrieb
– viele von ihnen unter den 52 Traktaten, welche die
Nag Hamadi Bibliothek enthält. Diese Schriften offenbarten ihr eine
Vielfalt innerhalb der frühen christlichen Bewegung, die von den späteren
„offiziellen“ Versionen der christlichen Geschichte erfolgreich unterdrückt
worden war. Ihr Inhalt forderte sie heraus. Voreingenommen durch Irenäus’
Anprangerung der geheimen Schriften als „einen Abgrund von Wahnsinn und
eine Blasphemie gegen Christus“ hatte sie erwartet, die Texte würden „entstellt,
prätentiös und trivial sein. Stattdessen war ich überrascht, in einigen von
ihnen unerwartete spirituelle Kraft zu finden“


Die Diskussion über Ketzerei bedient sich verschiedener Strategien. Eine
besteht darin, Opponenten, die ähnliche Charateristika aufweisen, über einen
Kamm zu scheren, sie alle in einigen wenigen übersimplifizierten Kategorien
zusammenzupferchen, mit einem Etikett zu versehen und die Begriffe zu
schmälern (zum Beispiel gnostisch, ketzerisch). Obwohl die Kirchenväter das
Wort Gnostizismus – das der Engländer Henry More im 17. Jahrhundert
geprägt hatte – nicht benutzten, werden seine prinzipiellen Charakteristika gewöhnlich
als ein elitäres, geheimes Wissen (nur die Erwählten werden gerettet)
und eine radikale Abwertung der Welt und ihres Schöfpers, des Gottes der
Genesis, definiert und verstanden. Irenäus beklagte sich bitter über jene Christen,
die beanspruchten, die „zweite Taufe“ empfangen zu haben, wodurch sie
befähigt wurden, den auserwählteren Kreisen der spirituell Reifen beizutreten:

Zweifellos gab es einige Menschen, die offensiv waren, so wie es heute religiöse
Gläubige, Akademiker und andere gibt, die sich auf Grund ihres Wissens sehr
erhaben wähnen. Aber die meisten der „Initiierten“ glichen wahrscheinlich
sehr ernsthaften Wahrheitssuchenden in jedem Zeitalter, die vielleicht eine
erleuchtende Einsicht erfahren – in Dankbarkeit, Demut und in der Stille.

Während manche der gnostischen Texte, buchstäblich interpretiert, die
materielle Welt als die fehlgeschlagene Schöpfung eines unwissenden Demiurgen
(Schöpfers) herabsetzen – was nahelegt, dass das Böse aus Unwissenheit
entsteht – und demgemäß die spirituell Erleuchteten drängen, ihrem blind machenden,
die Seele tötenden Einfluss zu entfliehen, sind andere Texte weniger
extrem. In ihnen werden die in Widerstreit stehenden Elemente und Unvollkommenheiten
der Welt, der „fehlerhafte Logos“ miteingeschlossen, eher aus
der Sicht einer transformierenden Perspektive gesehen als aus einer wirklichkeitsfremden,
rein negativen: Jeder ist potenziell der Auserwählte Gottes und
das höchste Gut ist in der Welt zu verweilen und für die Rettung aller Wesen
zu arbeiten. Pagels schreibt zum Beispiel, dass das Evangelium der Wahrheit

Im Gegensatz zu wissenschaftlichem Wissen (episte-me-) ist Gnosis spirituelles
Wissen. Es wurde von gnostischen Christen sowohl für soterisch („retten“) als
auch esoterisch („innerlich“) gehalten. Für sie bedeutete es weit mehr als die
geheime Offenbarung, die in der Schrift verborgen liegt und eher durch
„spirituelles“ als durch buchstäbliches Lesen entdeckt werden kann. Weil jeder
ein Kind Gottes ist und den Samen oder Lichtfunken des Göttlichen im
Inneren enthält, wird Erleuchtung schließlich durch die Schulung von Selbsterkenntnis
erlangt – wie es im Thomas-Evangelium betont wird, das so beginnt:
Das sind die geheimen Sprüche, welche der lebendige Jesus sagte und welche
(1)Didymos Judas Thomas niederschrieb.

Und er sagte: „Wer auch immer die Interpretation dieser Sprüche findet,
wird den Tod nicht fühlen.“
(2) Jesus sagte: „Lass denjenigen, der sucht, solange weiter suchen, bis er
findet. Wenn er findet, wird er beunruhigt. Wenn er beunruhigt wird, wird er
erstaunt sein, und er wird über das All herrschen.“
(3) Jesus sagte: „Wenn jene, die euch führen, zu euch sagen: ‘Siehe, das
Königreich ist im Himmel’, dann werden die Vögel des Himmels euch vorangehen.
Wenn sie zu euch sagen: ‘Es ist im Meer’, dann werden euch die Fische vorangehen.
Vielmehr ist das Königreich in euch und es ist außerhalb von euch. Sobald
ihr euch selbst erkennt, werdet ihr erkannt werden und ihr werdet erkennen, dass
ihr es seid, die die Söhne des lebendigen Vaters sind. Aber wenn ihr euch selbst
nicht kennt, werdet ihr in Armut leben und ihr seid es, die jene Armut sind.“
Als Historikerin ist Pagels nicht nur am Inhalt der Texte von Nag Hammadi
und anderen gnostischen Schriften interessiert, sondern auch an deren Herkunft
und darauf folgenden Geschichte: Wer schrieb sie? Wann? Warum?
Und wie geschah es, dass sie von der frühen Kirche ausgeschlossen wurden?
Ihre Gelehrtheit ist nicht nur hilfreich dabei, solche Fragen zu beantworten,
sie hilft auch, viele der dunklen und manchmal einander widersprechenden
Passagen in jener anderen kleinen Bibliothek des frühen Christentums zu
erhellen, die man das Neue Testament nennt. Für Leser, die gewillt sind, festgefahrene
Überzeugungen aufzuwühlen, bietet Beyond Beliefs eine Einführung
und einen wohlgeführten Rundblick über die Konturen und Kontraste des
Glaubens und der Erkenntnis in der frühen christlichen Geschichte. Es richtet
unsere Aufmerksamkeit auch auf die tiefsten Lebensfragen der Existenz Gottes,
und mit spirituellen Wahlmöglichkeiten können wir nicht entkommen,
gleichgültig welchem Glauben wir angehören. Es fordert uns stets heraus, sie
zu hinterfragen. In ihrer abschließenden Zusammenfassung schreibt Pagels:
Die Handlung der Wahl – was der Begriff Ketzerei ursprünglich bedeutete –
führt uns zurück zu dem Problem, für dessen Lösung Orthodoxie erfunden wurde:
Wie können wir Wahrheit von Lügen unterscheiden? Was ist authentisch und
verbindet uns so miteinander und mit der Realität, und was ist schal, selbstdienlich
oder böse? … Die Orthodoxie neigt dazu, unserer Kapazität zu misstrauen, solche
10 Sunrise
Unterscheidungen zu fällen und besteht darauf, das für uns zu tun. Unter der
Voraussetzung der menschlichen Kapazität der Selbsttäuschung können wir der
Kirche bis zu einem gewissen Grad dafür danken. Viele von uns, die sich harte
Arbeit ersparen möchten, akzeptieren gerne, was die Tradition lehrt.
… Die meisten von uns finden früher oder später, dass wir uns an kritischen
Punkten in unserem Leben selbst anstrengen müssen, um einen Weg zu gestalten,
wo keiner ist. Was ich an der Fülle und Verschiedenheit unserer religiösen
Traditionen – und den Gemeinden, die sie erhalten – lieben gelernt habe, ist,
dass sie das Zeugnis unzähliger Menschen zu spiritueller Entdeckung anbieten.
So ermutigen sie jene, die sich bemühen, zu „suchen und ihr werdet finden“ –
um es in den Worten Jesu auszudrücken.
(Fortsetzung erwünscht ?)

A N D E R S als ICH - als DU(!)

Du sprichst
als wärst du acht
Sie schweigen
als wären sie achtzig

Du lachst
Sie schauen weg

Du grüßt
Sie starren auf die Straße

Du redest
Sie ignorieren

Du bist anders
Sie sind normal

Du bist behindert
Sie behindern



Mit Widerlegen, Bedingen, Begrimmen
Bemüht und brüstet mancher sich;
Ich kann daraus nichts weiter gewinnen,
Als daß er anders denkt als ich.
[Goethe]



Kein Mensch ist besser als der andere!
Kein Mensch ist schlechter als der andere!
Jeder Mensch ist anders als der andere!


In diesem Sinne >
Jeder Mensch, der liebesfähig ist,
gönnt dem anderen seine Andersartigkeit!

 

twoday.net AGB

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